Der grazile Körper in voller Länge ausgestreckt, Muskeln und Sehnen im perfekten Zusammenspiel, Balance in höchster Geschwindigkeit. Für Windhundeliebhaber ist der Windhund im vollen Lauf die Verkörperung von Eleganz und Freiheit. Die schlanken Schönen faszinieren mit ihrer filigranen, leichten Anmutung, als wären sie Zeugen einer anderen Zeit.
Entsprechend hört man immer wieder Sätze und Aussagen, die die Seele des Windhundes mit der Notwendigkeit des Laufens verknüpfen. Im Umkehrschluss würde ein Windhund, der nicht frei laufen darf, unweigerlich verkümmern – körperlich und psychisch.
An sich sind diese Annahmen nachvollziehbar. Der Windhund ist gemacht für die Jagd, genauer die Hatz, und ist deswegen ein schneller wie ausdauernder Läufer. Es liegt ihm im Blut, sein Instinkt gebietet es ihm, Beute wahrzunehmen und zu verfolgen.
Dennoch: So natürlich und wichtig der Freilauf für den Windhund ist und so gern Frauchen und Herrchen ihren Vierbeiner in Aktion sehen – den Windhund einfach abzuleinen, ist keine gute Idee.
Die Realität des Freilaufs von Windhunden
Freilauf für den Windhund erfordert Vorbereitung, Training, Timing und auch ein bisschen Glück. Denn auch, wenn Stopp- und Wartesignale geübt werden und der Windhund lernen kann, seinen Jagdinstinkt zu zügeln, sich nicht mit der Hatz selbst zu belohnen, sondern auf die Belohnung durch den Menschen zu warten: Kein Training kann eine 100-prozentige Sicherheit bieten, dass der Windhund abrufbar sein wird, wenn der Hase seinen Kopf aus der Erdbau steckt. Ein plötzlicher Reiz zur falschen Zeit, und der Windhund nimmt die Verfolgung auf, blind für die Rufe seines Besitzers. Für Angsthunde kann es ein unbekannter Reiz sein, der sie erschreckt und davonstürmen lässt. Im dichtbesiedelten Deutschland ist die nächste Straße nicht weit. Nur ein einziger unkontrollierbarer Freilauf kann also drastische Folgen haben.
Verschiedene Hundetypen
Rennt jeder Windhund beim kleinsten Anlass davon? Nicht zwangsläufig. Zwar kann die Rasse einen Hinweis auf den Jagdtrieb geben – Greyhounds und Galgos haben zum Beispiel den Ruf, einen besonders ausgeprägten Hetztrieb zu besitzen, während Whippet und Barsoi als weniger extrem gelten. Aber jeder Windhund ist ein Individuum mit eigener Geschichte und Vergangenheit. Und so gibt es natürlich auch in dieser Hundefamilie Exemplare, die sich zuverlässig abrufen lassen, die kein großes Interesse an der Jagd haben oder die die Seite ihres Menschen nur ungern verlassen.
Bindung als Schlüssel
Wenn die Leine ab ist, benötigt der Windhund etwas anderes, das ihn hält: die Bindung zu seinem Menschen. Eine gute Beziehung knüpft ein Band, das dem Jagdtrieb etwas entgegenzusetzen hat – so dass sich der Windhund an seinem Menschen orientiert, in Kontakt und aufmerksam bleibt. Die Basis stellt die Arbeit und das Training an der Schleppleine dar. Denn trotz seiner besonderen Eigenschaften: Ein Windhund ist immer noch ein Hund. Ja, er hat ein ausgeprägtes Laufbedürfnis, aber er will ebenfalls schnüffeln, einer Spur folgen, im Laub buddeln oder eine freie Fläche scannen und beobachten. All das sind Aktivitäten, die ohne Weiteres auch an der Leine möglich sind. Kopf- und vor allem Nasenarbeit lastet auch ausdauernde Sportler aus – und mit dem Menschen gemeinsam einer Wildspur zu folgen, bringt Freude für alle Beteiligten.
Übrigens: Manchmal ist Freilauf für den Windhund sogar gar keine Option. Nicht nur, weil es gesetzlich in manchen Ländern und Regionen schlicht nicht erlaubt ist und Leinenpflicht für Hunde herrscht. Manche Windhunde, auch solche aus dem Rennsport, werden von einigen Organisationen nur an neue Menschen vermittelt, wenn sich diese verpflichten, den Hund nicht ungesichert frei laufen zu lassen. Leine ab ist dann nur in geschützten und eingezäunten Bereichen möglich.
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